KUNST
MUSIK
SCHWITZHÜTTE
UNTERWEGS




Was, wo hast du mitgemacht? - Bei ‘ner Schwitzhütte. - Was ist denn das, eine Schwitzhütte? - Ein altes indianisches Ritual, das Geist, Körper und Seele reinigt. - Ja, und wie läuft so etwas ab? - Man trifft sich, um gemeinsam Holz zu hacken, die Hütte (so ‘ne Art Iglu aus Weidenzweigen und Decken) zu bauen, Steine heranzuschaffen, Suppe zu kochen. Dann sammelt man sich in mehreren Redekreisen, bündelt sein Wollen und seine Energie. Die Steine werden im Feuer zum Glühen gebracht. Wir kriechen in die Hütte. Die heißen Steine werden hereingereicht. Das eigentliche Ritual: Mehrere Stunden bei bis zu hundert Grad und ca. fünfzig Aufgüssen mit Meditation, Gebet und Gesang. Eng, dunkel, heiß, gemeinsam, intensiv. Danach das Gefühl der Wiedergeburt, der Neuerung. Und das beste, die negative Energie, die du in dem Ritual opferst, abstößt, losläßt, die gewinnst du transformiert als positive Kraft zurück.

Vor meiner ersten Schwitzhütte spielten zwei Dinge eine Rolle für mich: Ich war bereit für Veränderungen und ich war neugierig. Die Offenheit des Rituals erlaubte mir, mich voll einzubringen; egal was man glaubt oder geglaubt hat, alles hat in der Hütte Raum. Hier wird die Trennung von Körper, Geist und Seele aufgelöst. Man überschreitet eigene Grenzen, die ganze Situation ist grenzwertig: Nackt, beengt und schwitzend sitzt du stundenlang im Dunkeln, die Beine tun dir weh, die Hitze und die Enge machen dich beklommen. Der Verstand rebelliert, der Körper schreit, doch die Seele beginnt zu fliegen. Diese Bereitschaft, eigene Grenzen auszutesten und zu überschreiten, läßt verschüttete Bereiche in mir wieder ans Licht kommen. Schmerzlich Verdrängtes will bewältigt und geheilt werden. Es geht nicht um eine augenscheinliche Verbesserung, die das Ritual hervorruft, es ist eine Veränderung, die neue Sichtweisen offenbart, neue Inhalte vermittelt, und es bringt dich vorwärts.

Die Redekreise, das intime Aufspüren von Bedürfnissen und Sehnsüchten, die Bereitschaft, eigene Wünsche zu äußern, all das hilft bei der Vorbereitung auf das Ritual. Ich selbst habe einmal um Frieden gebetet und bekam Ruhe und Ausgeglichenheit in reichem Maße. Oder ich wollte Knackpunkte in mir aufspüren und habe als Antwort Defizite in mir erspürt, wie man feine Risse in einer Hausfassade entdecken kann. Jeder bekommt das, was er sich wünscht und soviel wie er opfert. Dabei berührt mich besonders die Freiheit, mich mit meinen Wünschen, Defiziten und Stärken voll miteinzubringen. Ich habe nie das Gefühl, daß etwas von außen an mich herangetragen oder mir aufgezwungen wird. Es ist immer so, daß ich mithilfe des Rituals in mir Dinge entdecken kann.

Die gemeinsame Vorbereitung ist mir dabei besonders wertvoll: gemeinsames Arbeiten, das Bauen der Hütte, das Suchen der Steine, intensives Zuhören in den Redekreisen, welches das eigene Bewußtsein ungemein erweitert. Die Aufmerksamkeit der anderen empfinde ich als ungeheures Privileg: du sprichst über Fragen, die dich herausfordern, die deinen eigenen Fluß fördern. Und die anderen hören dir aktiv zu, sie unterstützen dich im Dialog mit deiner inneren Stimme. Die Offenheit des Rituals wie der Teilnehmer schafft dabei die Basis für den Kräfteaustausch.
Auch zeigt es mir immer wieder, daß mein eigener Beitrag nicht zu wichtig zu nehmen ist. Er ist getragen von der Energie der anderen. Gemeinsam schaffen die Teilnehmer eine starke Konzentration ihrer Kräfte, die durch das Ritual transformiert werden. Das Erleben eines solchen Rituals erfordert allerdings nicht nur Bereitschaft sondern auch den Mut, sich selbst zu sehen. Und soviel Kraft uns das Ritual letztendlich auch schenkt: es fordert auch Kraft!

Eine Schwitzhütte markiert stets einen Einschnitt, ein Innehalten: Ein starkes Gefühl dabei ist das Empfinden, in Fluß kommen, mich zu verändern. Und gleichzeitig senkt sich ein tiefer Frieden in mich, eine tiefe Erdlastigkeit, die spürbare Nähe zur Erde bestimmt mein Fühlen. Die Freude, das Entdecken innerer Verbundenheit zu anderen Teilnehmern, einen anderen zu halten, ihm zu helfen, an den Gefühlen anderer teilzuhaben, die Gesänge, dieses Erleben hat mein Leben um eine entscheidende Dimension erweitert: die Gewißheit um das Vorhandensein spiritueller Kräfte gibt mir über die bei den Ritualen gewonnene Kraft hinaus Freude und Sicherheit: ich entdecke andere Menschen, Qualitäten in mir, von denen ich noch nichts wußte. Es erwacht etwas in mir, was nicht an Personen gebunden ist, nicht an die Personen, die am Ritual teilgenommen haben. Es ist das heilsame Empfinden meiner eigenen Mitte, eigener Kraft und Qualität, ein tiefes Vertrauen in meine eigene Intuition. Das Gefühl von tiefer Verbundenheit mit Herkunft, Natur und mütterlicher Energie. Warme sanfte, bergende Erde, die uns trägt und wieder neu gebiert.